Obst und Spiele

Eine Reflexion über die Design Thinking Methode

Längst hat das Silicon Valley Kalifornien verlassen und dabei eine Welle innovativen Zeitgeistes ausgelöst, die bis in die verwinkeltsten Ecken der Welt geschwappt ist. Auf ihr surfen viele der größten Weltkonzerne – durch sie sämtliche, die es einmal werden wollen. Sich auf diesem Ritt unentwegt den Veränderungen der Masse anzupassen ist Überlebensstrategie und Erfolgsrezept zugleich geworden. So üben sich an ihren Ausläufern diejenigen, die noch vom großen Wellengang träumen. Eine Riege an jungen Start-ups, bereit den Geist ihrer Zeit zu bedienen und gewollt sich den stetigen Veränderungen des Marktes und den Bedürfnissen seiner Customer anzunehmen, testen sich und ihre Welt in agilen Methoden, die die Produkte der Zukunft garantieren. Eine dieser Methoden ist die des Design Thinking. Was einst als absurdes Kinogespinst galt, scheint indessen real geworden. Die Reise in den Kopf eines Kreativen hat sich als marktfähig erwiesen. Zwischen Wissenschaft und Praxis verspricht sie innerhalb kürzester Zeit zu innovativen Lösungen zu führen. Nimmt man ihr Angebot an, offenbart sich der Handel als Deal, denn das Rundum-Sorglos-Paket gibt es nur im Tausch. Verlernen ist die Devise, denn nur auf leeren Feldern kann echtes Neuland entstehen. So entpuppt sich des Pudels Kern als jene Kraft, die stets das Gute will und stets Zerstörung schafft. Alte Gewohnheiten, Ideen und Denkweisen über Bord werfend, folgt sie ihrem Grundprinzip der Agilität: Sei flexibel, nimm was da ist, begrenze das Risiko, kontrolliere statt zu planen, und falls das Leben dir Zitronen schenkt, mach eine Limonade draus. Die Resilienz ist bestechend, denn Scheitern meint in ihren Worten Chance.

Entschnürt man das Paket, entwickelt sich das Konzept. Ihr Herzstück ist eine Box. Das Repertoire an Material erstreckt sich von Pfeiffenputzern über Tonpapier bis hin zu Styropor – Hauptsache bunt! Ihr wichtigstes Utensil jedoch ist die Haftnotiz. Auch als Hafties bekannt, entwickelten sie sich innerhalb der letzten Jahre zum Symbol einer neuen Kultur.

Sich die mentalen Prozesse eines Designers zu eigen machend, offeriert sie Kreativität mit Struktur. Sie folgt dabei stetig ihrem Anspruch auf Ästhetik mit Liebe zum Detail. Im Zuge ihrer Zeremonien rät sie jedem Team die Entwicklung einer eigenen Sprache. Abgelegt als Zeichen in einer visuellen Bibliothek, dienen sie fortan ihrer Kommunikation. Denn die Gruppe ist ihr oberstes Gebot. Im Glauben an die Parität schöpft sie ihr Potenzial aus dem Becken der Interdisziplinarität. Indessen erklärt sie ganz im Sinne Joseph Beuys das Individuum zum Schöpfer. Den feuchten Lehm durch Knete ersetzt, ersucht man mit ihr gestalterisch die Lösung komplexester Probleme.

Durch sechs Phasen führt ihr Weg bis zur Generierung von Innovationen. Doch Obacht, die Methode besteht auf Iteration. Den Kunden im Fokus versucht sie in der ersten Phase den Menschen zu verstehen: Die Probleme und Belange ihrer Lebenswelten einzugrenzen und zu definieren. In der zweiten Phase hat die Beobachtung Priorität, so ist man bemüht die Bedürfnisse der Kunden zu identifizieren. Die dritte Phase widmet sich der Synthese: In ihr werden die Informationen gesammelt, aufbereitet, analysiert und interpretiert. Besonders gerne werden diese dann in Geschichten erzählt. In der vierten Phase werden mit Hilfe kreativer Techniken Ideen möglicher Problemlösungen generiert. Die fünfte Phase ist den Prototypen vorbehalten: Hier werden die Ideen konkretisiert und in eifriger Bastelmanier in konkrete Objekte überführt. Die sechste und letzte Phase zielt auf das Testen: Die Prototypen werden mit ihren potenziellen Kunden getestet und bewertet. An diesem Punkt entscheidet das Design.

Die Werkzeuge ihres Prozesses sind besagte Techniken der Kreativität. Sie lassen Gedanken stürmen, Dinge erzählen, Geschichten entstehen, Personen erwachsen, sogar Ideen fahren Karussell. Ein Phantasia auf Zeit – weniger Ort als ein Zustand – denn in diesem Land herrscht absolute Knappheit. Zügig treibt die Methode durch ihre Phasen, flüchtig bleibt der Gedanke zurück. Umdrehen geht nicht, denn die Währung war Vertrauen. Voranschreitend mit ihrem Grundsatz der schnellen Entscheidungen und des effektiven Handelns, hängt sie die Kreativität, mehr Mittel zum Zweck, ab. Übrig bleiben am Ende des Tages die Testdesigns – Monumente vergangener Chancen.

Doch ihr Schöpfungswille ist schier grenzenlos und der Prozess läuft unentwegt weiter, denn Mensch, Technik und Gesellschaft verändern sich und dementsprechend auch die Probleme. So formt sich der Prototyp beständig neu im Medium der Innovation. Denn Innovation als Prozess kreativer Zerstörung beschreibt letztlich nichts anderes als die unentwegte schöpferische Zerschlagung ökonomischer Ordnung und folglich den Geist des Kapitalismus. Design Thinking ist dabei selbst nur ein Produkt seiner Zeit. Denn bei Obst und Spiele werden Spaß und Arbeit zum Synonym. So üben wir das Surfen fleißig weiter und merken es nicht einmal.

 

Joana Mauer

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