Bad Lauterberg diskutiert koloniales Erbe: Studierende der Hochschule Merseburg laden zum Perspektivwechsel ein
Unter dem Motto „Unerhörte Perspektiven auf koloniale Spuren in der Stadt“ haben Studierende der Hochschule Merseburg am letzten Märzwochenende zu einem ungewöhnlichen Aktionswochenende in Bad Lauterberg eingeladen. Anlass war die anhaltende Diskussion um das dortige Denkmal für Hermann von Wissmann – der letzten verbliebenen Wissmann-Statue in Deutschland und seit Jahrzehnten Zankapfel zwischen Gedenken und kritischer Auseinandersetzung.
Mit kreativen Formaten und niedrigschwelligen Dialogangeboten gelang es den Studierenden, Geschichte anders erfahrbar zu machen. So wurde die Vergangenheit nicht nur erklärt, sondern durch vielfältige Perspektiven erlebbar: beim Wissensquiz „Quizzmann“, mit einer interaktiven Erinnerungs-Stadtkarte, einer immersiven Audioinstallation im Kurpark sowie einer Projektion vor dem Denkmal, die die Geschichten von Widerstand, Gewalt und kolonialer Ausbeutung sichtbar machte. Abgerundet wurde das Wochenende durch ein offenes Dialog-Frühstück, das zum Austausch über die Erfahrungen und Eindrücke der Tage einlud.
„Es geht nicht um Auslöschung, sondern um Einordnung“, betonten die Initiator*innen. Ihr Ziel: eine differenzierte Erinnerungskultur, die Raum für Diskussion bietet und auch kritische Stimmen hörbar macht.
Die Veranstaltung war der Höhepunkt eines mehrteiligen Seminars im Studiengang Angewandte Medien- und Kulturwissenschaft. Bereits im Vorfeld hatten sich die Studierenden intensiv mit der kolonialen Vergangenheit und dem Umgang mit Wissmanns Erbe beschäftigt. Gespräche mit Anwohner*innen, Besuche im Heimatmuseum und Quellenarbeit im Stadtarchiv waren Teil der Vorbereitung. Dabei wurde deutlich: Die Diskussion um Wissmann hat in Bad Lauterberg eine lange Geschichte – von der Anti-Kolonial-Demo 1982 bis zu aktuellen Debatten um Straßennamen und Denkmäler.
Wer war Hermann von Wissmann?
Der preußische Offizier (1853–1905) gilt als zentrale Figur des deutschen Kolonialismus. Er führte sogenannte „Strafexpeditionen“ in Ostafrika an, war maßgeblich an Eroberungskriegen beteiligt und wurde später zum Gouverneur der Kolonie Deutsch-Ostafrika ernannt. Seine Mutter lebte in Bad Lauterberg, weshalb er die Stadt regelmäßig besuchte – Grund für die dortige Errichtung der Statue.
Ausblick:
Das Aktionswochenende hat gezeigt, wie wichtig es ist, Räume für gemeinsame Erinnerung und kritische Auseinandersetzung zu schaffen. Erinnerungskultur ist kein starres Konzept, sondern ein lebendiger Prozess. Genau hier setzte das von Daniela Döring und Skadi Konietzka geleitete Wissmann-Projekt an: mit dem Ziel, koloniale Spuren sichtbar zu machen und alternative Perspektiven zu eröffnen.
Für die Hochschule Merseburg steht dieses Projekt exemplarisch für ihren hohen Anspruch an Praxisnähe und gesellschaftliche Relevanz. Studierende bringen ihr Wissen nicht nur theoretisch zur Anwendung, sondern gestalten aktiv mit.